Die Schulgemeinschaft half ebenfalls mit und spendierte uns 1988 ein Celestron C8, damit wir Astronomie nicht nur theoretisch unterrichten, sondern die Sterne auch mit eigenen Augen beobachten konnten. Leider musste ich im Laufe der Jahre feststellen, dass viele meiner Physikkollegen eine deutliche Scheu vor dem Fach Astronomie hatten und noch haben. Eine viel gehörte „Ausrede“ ist: „Ich muss mich in Physik für das kommende Jahr auf eine Jahrgangsstufe neu vorbereiten und habe deshalb keine Zeit, mich zusätzlich in die Astronomie einzuarbeiten.“
Aus meiner langjährigen Vorbereitungsarbeit weiß ich, dass das eine faule Ausrede ist. Die Vorbereitung in Astronomie hat für einen persönlich den Vorteil, dass man alles, was man über Physik gelernt hat, wieder ausgraben kann: Mechanik, Wärmelehre, Optik, Spektroskopie, Elektrizitätslehre, Atomphysik und Relativitätstheorie. Es gibt nichts Neues, es gibt nur die Physik, die man im Studium gelernt hat, und wann hat man schon die Gelegenheit alle Bereiche der Physik unter einem Thema zusammengefasst vorzubereiten und zu unterrichten. Außerdem kann man sich mit Themen, die in der Schule nicht oder nur stiefmütterlich behandelt werden, etwas ausführlicher beschäftigen. Wann haben sie das letzte Mal Optik, Wärmelehre oder Relativitätstheorie unterrichtet? Zum anderen kann man die Vorbereitungen, die man für die verschiedenen astronomischen Themen macht, auch im regulären Physikunterricht verwenden. Sei es in der „normalen“ Physik, in der ja auch sporadisch astronomische Beispiele verwendet werden oder ganz besonders in der Oberstufenphysik. Ich muss zu meinem Leidwesen gestehen, ich habe viele physikalische Vorgänge besser verstanden, als ich ihre Anwendung in der Astronomie durchgedacht und aufgearbeitet habe. Und auch für die Schüler ist es motivierender astronomische Anwendungen physikalischer Prozesse erklärt zu bekommen, als die langweiligen, oft gekünstelt wirkenden Beispiele im Physikbuch vorzubeten.
Um den Kollegen, die sich vor der Vorbereitung in Astronomie „fürchten“ ein wenig zu helfen, habe ich meine Vorbereitungen für die Astronomiekurse am Korbinian-Aigner-Gymnasium zusammengeschrieben und die folgenden Skripte gestaltet. Ich hoffe, dass ich damit etwas zur „Verbreitung“ der Astronomie in den Schulen betragen und einigen Kollegen ein wenig von der gefürchteten „Vorbereitungsarbeit“ abnehmen kann.
Da die meisten Physiker auch Mathematik unterrichten, hat man in Astronomie die Möglichkeit viele mathematische Themen, die im „normalen“ Mathematikunterricht nie behandelt werden zu thematisieren oder praktische Anwendungen mathematischer Formeln und Methoden zu demonstrieren. Vielleicht interessiert sich auch ein „Nichtphysiker-Mathematiker“ für Astronomie, wenn er hört, dass er dort praktische Anwendungen für trigonometrische Formeln und Funktionen, Kegelschnitte, Logarithmen, Differenzialgleichungen, Integrale und Reihenentwicklungen behandeln und vorrechnen kann. Ein Vorteil der Astronomie ist auch, dass man Formeln einfach benützt, und die Schüler nicht mit langatmigen Beweisen und Herleitungen gelangweilt werden. Sie lernen das Anwenden von Formeln. Wer später im Beruf mit Formeln hantieren muss, muss sie anwenden und umformen können, in den wenigsten Fällen muss er sie selbst erfinden oder herleiten. Der Vorteil einen Astronomiekurs zu geben, liegt auch darin, dass man an keinen Lehrplan gebunden ist und frei seinen eigenen Vorlieben folgen kann. Man muss nicht so viele Gedanken daran verschwenden, ob die Schüler das nötige Grundwissen bereits gelernt haben und dem „Unterricht“ auch folgen können. Jüngere Kursteilnehmer haben z. B. meist noch nie etwas von Ableitungen gehört, aber sie kennen die Steigung einer Geraden. Daran anknüpfend kann man ihnen ohne große Herleitung differenzieren und integrieren schnell erklären. Sie müssen ja keine Prüfung über den gehörten Stoff ablegen. Der Zweck ist ihnen einen „Vorgeschmack“ auf den in den nächsten Jahren kommenden Mathematikstoff zu vermitteln und ihnen ein nichtschulisches Anwendungsgebiet des Mathematikstoffes zu zeigen. Man nennt das, glaube ich, Propädeutik.
Noch ein paar Worte dazu, wie man geschickt an die mathematisch besonders begabten oder interessierten Kursteilnehmer kommt. Ich hatte den Vorteil als Mitarbeiter der Schulleitung auf die Zeugnisdaten aller Jahrgangsstufen zugreifen zu können und habe mir die Schüler ausgewählt, die in Mathematik und Physik oder Chemie am Jahresende gute bis sehr gute Leistungen erreichten. Das Auswahlkriterium ist natürlich nicht zwingend genauso zu wählen. Die Eltern dieser Schüler habe ich dann angeschrieben und ihnen mitgeteilt, dass die Schule ihren Sohn, ihre Tochter einlädt, und sie die Möglichkeit hätten, diese für diesen Kurs anzumelden. Heutzutage ist das über die Infoportale an den Schulen eine einfache Mailingliste und kostet kein Porto mehr, was zu Anfang eines der größten „Streitthemen“ war. Die Mühe hat sich immer gelohnt. Von, im langjährigen Durchschnitt, ca. 130 ausgewählten Schülern aus den Jahrgangsstufen 9 bis 12 haben sich jedes Jahr zwischen 20 und 30 für den Kurs gemeldet. Kollegen, die keinen Zugriff auf die Schülerdaten haben, müssten eben die Klassenleiter und Oberstufenbetreuer bitten die Namen geeigneter Schüler herauszusuchen. Im Zeitalter der schulischen Infoportale keine unzumutbare Mehrarbeit. Damit hat man schon ein „Grundgerüst“ an Teilnehmern, das man durch das Angebot, den Astrophysikkurs auch als Wahlunterrichts zu belegen, noch erweitern kann. Als „Belohnung“ erhalten die Kursteilnehmer, die bis Juli durchgehalten haben, eine Bestätigung über die Kursteilnahme als Bemerkung im Zeugnis und ein extra Teilnehmer-Zertifikat. Kaum zu glauben, aber die Kursteilnehmer und Eltern legen darauf wirklich wert.